Gedanken über Bildgestaltung / Komposition

von Peter Pischler

 

Da wir mittels Fotografie unsere 3-dimensionale Welt auf zweidimensionalen Medien (Monitor, Papier, Leinwand, etc.) festhalten wollen, müssen wir der Bildgestaltung besondere Aufmerksamkeit widmen, um möglichst lebensnahe, ansprechende Ergebnisse zu erzielen.

Es gilt – im Idealfall – die Aufmerksamkeit des Betrachters auf gewisse Bildteile zu lenken, Bildteile die ihn interessieren / ansprechen. Gleichzeitig darf man aber auch den Gesamteindruck nicht aus den Augen verlieren.

Das menschliche Auge hat die Eigenschaft, interessante, die Aufmerksamkeit auf sich ziehende Bildteile deutlicher wahrzunehmen als den Rest. Durch diese, für die Fotografie etwas nachteilige Eigenschaft des Auges, versäumt man es manchmal, während der Aufnahme das gesamte Sucherbild aufmerksam zu betrachten, man konzentriert sich nur auf das „Wesentliche“ (zum Beispiel eine Person) und ignoriert den Rest. Hinterher wundert man sich vielleicht, dass man eigentlich „viel zu viel“ Umgebung (Umgebendes) auf dem Bild hat und nun zuschneiden muss.

Wenn man sich angewöhnt, vor dem Abdrücken stets das gesamte Sucherbild (Monitorbild) kritisch zu betrachten, kann man von Anfang an nur das aufnehmen, was wirklich bildwichtig ist. Eventuell muss man halt näher an das Hauptmotiv rangehen oder am Zoomring drehen. Aber das nur nebenbei.

Um ein Bild interessant zu machen – um es aus der Masse von vielen Bildern hervorzuheben – muss man einige Gestaltungspunkte beachten. Aufmerksamkeit wird von Emotionen beeinflusst, man widmet dem mehr Aufmerksamkeit, zu dem man eine emotionale Beziehung hat, zum Beispiel Menschen, Gesichter, Haustiere usw.

Aufmerksamkeit wird aber auch durch „Gestaltung“ gelenkt. Farben, Farbkontraste, eigenwillige Perspektiven, besondere Harmonien (sowohl die Form als auch die Farbe betreffend), hohe Kontraste, deutliche Linien (welche das Augenmerk auf das Hauptmotiv lenken), etc. können die Aufmerksamkeit des Betrachters beeinflussen.

Was also sollen wir beachten bevor wir abdrücken? Anmerkung: Natürlich muss man zwischen reinen „Erinnerungsfotos“ (besondere Anlässe etc.) und „Projektfotos“ (Landschaft, Architektur, Portraits usw.) unterscheiden. Reine Erinnerungsfotos sind oft „Schnappschüsse“, denen kaum gestalterische Anstrengungen vorangehen. Das ist normal. Aber willentlich für einen bestimmten Zweck (Fotobuch, Ausstellung, Wandbild...) gemachten Fotos, sollte man doch ein Minimum (noch besser wäre ein Maximum) an Planung und Aufmerksamkeit schenken. VOR dem Auslösen!

Welche Punkte soll man / kann man für solche Aufnahmen beachten um ein möglichst interessantes, sich von der Masse abhebendes Foto zu erhalten?
 

1. Format: hoch? quer?  2:3?  3:4?  Quadratisch?  Es lohnt sich, sich bereits vor der Aufnahme Gedanken darüber zu machen.
 

2. Farbe oder schwarz-weiß? Ja, auch darüber kann man sich bereits vor der Aufnahme in Bezug auf Motiv, Kontraste, vorhandene Farben etc. Gedanken machen.
 

3. Standpunkt: nur äußerst selten ist der Standpunkt wo man „gerade“ steht, der ideale, beste Standpunkt. Es lohnt sich, den – in Bezug zum gewünschten Objekt – besten Standpunkt zu suchen und einzunehmen. AUCH wenn dies vielleicht einige Mühe erfordert!
 

4. Licht / Tageszeit: ich glaube, das ist selbsterklärend. Speziell für Landschafts- und Architekturfotos ist die Tageszeit, der Stand der Sonne, die damit verbundene Stimmung, enorm wichtig. Aber auch für Freilicht-Portraits etc. sollte man dies natürlich beachten.
 

Wir wissen, dass unsere Welt dreidimensional ist, wir können sie aber (leider) nur zweidimensional abbilden. Man sollte daher versuchen, das Foto so „dreidimensional wie möglich“ zu gestalten. Was heißt dreidimensional? Dreidimensionalität wird durch unterschiedliche Entfernung einzelner Teile erzeugt. So ist die Nase weiter vorne, die Stirn und der Mund ungefähr in der Mitte, die Ohren weiter hinten, daher wirkt ein Kopf für unser Auge dreidimensional. Dies verstehend, sollten wir also auf „vorne“ (Vordergrund), Mitte und „hinten“ (Hintergrund) achten. Damit erzeugt man „Tiefe“ und Tiefe verleiht dem Bild einen (künstlichen, nicht echten) dreidimensionalen Charakter.
 

5. Vordergrund und Hintergrund: sowohl der Vordergrund als auch der Hintergrund sind wichtige gestalterische Mittel. Das Hauptmotiv ist meist entweder im Mittel- oder Hintergrund, die richtige Anwendung des Vordergrundes und / oder Hintergrundes kann (scheinbare) räumliche Tiefe entstehen lassen. Der Vordergrund kann dabei entweder scharf oder unscharf dargestellt werden.

Beispiel eines Fotos mit scharfem Vordergrund:

 

Und hier ein Beispiel eines Fotos mit unscharfem Vordergrund, scharfer Mitte (auf diese wird das Auge gelenkt) und unscharfem Hintergrund:
 

 

6. Farben und Kontraste: Mit „Kontrast“ kann man (stark) unterschiedliche Helligkeitswerte, aber auch unterschiedliche (kontrastierende) Farben meinen. Beides erhöht die Aufmerksam des Betrachters und kann das Auge auf den bildwichtigen Teil lenken. Ein „flaues“ (kontrastarmes) Foto mit eintönigen Farben wird immer langweilig wirken, selbst wenn der Inhalt interessant sein sollte. Man wird sich das Bild vielleicht ansehen, aber man hätte die Wirkung auf den Betrachter wesentlich erhöhen können, wenn man „Kontraste“ in das Foto gebracht hätte.

Beispiel eines „langweiligen, kontrastarmen“ Fotos:

 

Beispiel eines kontrastreichen Fotos: Vergleiche die Wirkung

 

7. „Freistellen“: mittels gezielter Schärfe / Unschärfe (kontrollierter Schärfentiefe) kann man das Hauptobjekt „freistellen“, es vom Vorder- und / oder Hintergrund lösen. Dies ist ein sehr wichtiges Gestaltungsmittel, speziell bei Personenaufnahmen, Portraits.

Hier ein Beispiel wie man es NICHT machen sollte:

 

Besseres Beispiel, da der Hintergrund unscharf und „ruhig“ ist:

 

8. Perspektive: Die Perspektive beschreibt den Blick der Kamera auf die Szene und ist ein entscheidendes Element der Bildgestaltung. Man darf „Perspektive“ nicht mit „Bildausschnitt“ verwechseln. Um die Perspektive zu ändern, muss man sich bewegen, also weiter weg gehen, oder näher heran, oder tiefer (Froschperspektive), oder höher (Vogelperspektive), oder mehr links oder rechts. In Verbindung mit verschiedenen Brennweiten erreicht man – wenn man das Hauptmotiv gleich groß hält, indem man näher (Weitwinkel) oder weiter weg (Teleobjektiv) geht – eine oft drastische Veränderung der Perspektive, das Hauptmotiv bleibt gleich groß, der Vorder- und Hintergrund verändert aber seine Größe im Bezug zum Hauptmotiv drastisch. Probiert es einfach...
 

9. Gestaltungsregeln wie „Goldener Schnitt“ oder die „Drittel-Regel“ sollen / können / dürfen eingehalten werden, dies ist aber nicht zwingend erforder-lich. Allerdings sollte man diese Regeln kennen und verstehen – auch in Bezug auf ihre Bildwirkung – bevor man sie brechen kann / darf. Es ist erwiesen, dass ein nach dem goldenen Schnitt gestaltetes Foto angenehmer / dynamischer auf den Betrachter wirkt, als ein auf die Bildmitte konzentriertes Bild.

Einige Beispiele:

Horizontal und vertikal zentriert, wirkt irgendwie langweilig, oder?

 

Nach „Goldenem Schnitt“ gestaltetes Foto, wirkt wesentlich „lebendiger“.

 

Langweiliger und uninteressanter Sonnenuntergang, zu „zentriert“

 

Vergleiche das obere mit dem unteren Bild, welches wirkt „dynamischer“?

 

 

Und so weiter….

Man könnte wahrscheinlich endlos über Gestaltung und Gestaltungsregeln diskutieren, ich glaube ich habe genügend viele davon genannt, welche man in die Praxis umsetzen / üben kann. Die Einhaltung gewisser (aller?)  Gestaltungsregeln sollte / kann zur Gewohnheit werden. Als Ziel sollte man stets ein interessantes, sehenswertes („herzeigenswertes, vergrößerungswertes“) Bild vor Augen haben.

 

Natürlich bieten Fotobearbeitungsprogramme wie Photoshop etc. viele weitere „Gestaltungsmöglichkeiten“ mittels einer unendlichen Vielfalt an möglichen „Manipulationen“, aber eigentlich haben diese nichts mit der Aufnahme (einem Originalfoto) selbst zu tun.

„Künstliche“ (künstlerische???) Kreationen sind ein eigenes Thema, über das ich mir aber keine Gedanken mache.

 

Peter Pischler